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Carl Pister. Tagebuch 1914 -1918. Hrsg. von Volker Kronemayer. 192 S. mit 76 farbigen Abb., fester Einband. ISBN 978-3-95505-121-1. € 18,90

Carl Pister war eine bedeutende Persönlichkeit in Brühl. 1883 geboren, im Zivilberuf Magazinverwalter, mit 28 Jahren Gemeinderat, Anhänger der Sozialdemokratischen Partei. 1919 bis 1928 Bürgermeister von Brühl. 1933 verhaftet und ins Konzentrationslager Kislau gebracht. Dort 1936 entlassen, nach schwerer Krankheit 1938 verstorben.

Sein Tagebuch, zwischen 1914 und 1918 akribisch geführt, macht die inneren Gegensätze greifbar, die das Leben vieler Frontsoldaten damals prägte: Sozialdemokrat und dem Kaiser und dem Reich treu ergeben. Im täglichen Kampfeinsatz mit dem Tode bedroht und zugleich Achtung vor dem Feind, dem es nicht anders ergeht. Karl Pister bedrücken auch die Veränderungen in der Gesellschaft, die er während der Kriegsjahre wahrnimmt: Die zunehmende Entfremdung zwischen Heimat und Front. Die wachsende Distanz zwischen Offizierskorps und Mannschaften. Die Spannungen zwischen der Etappe und der Front.

Und schließlich die ständige Hoffnung auf Frieden, die durch den ebenso ständigen Fortgang des Krieges zunichte gemacht wird. Die Lektüre des Tagebuches lässt verstehen, weshalb die Bevölkerung zwischen den Kriegen die Erinnerung an die Jahre 1914 bis 1918 sehr intensiv pflegte.

Erschienen im Verlag Regionalkultur, Bahnhofstr. 2 • 76698 Ubstadt-Weiher • Tel. 07251 36703-0 • Fax 07251 36703-29. E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. • Internet: www.verlag-regionalkultur.de

Leseprobe:

Ausladen am 13. August 1914

„Bis Weihnachten sind wir daheim“, sagt ein Mannemer, „der Kaiser hat`s gesagt. Und dem kann man glauben.“ „Es hawe schon mehr Leute gelogen“, brummt einer in den Bart, „seit dem zwette August glaab ich mir selber nix mehr.“

Den Takt der Räder des fahrenden Zuges mitzählend‚ schläft man endlich ein. Punkt 12 Uhr mittags am 13.8.14 trifft unser Transportzug in Saaralben3 i/ L ein. Das Ausladen der Fahrzeuge geht sehr rasch vonstatten. Die Kolonne setzt sich nach 40 Minuten in Marschbewegung, Richtung Gosselmingen i/L.

Bei […] ist sehr heiß, der Straßenstaub vermengt mit dem dampfenden Schweiß, setzt sich auf Gaumen und an der Kehle fest. Unsere armen Pferde leiden entsetzlichen Durst, denn es fehlt in dem ganzen Anmarschgebiet an Wasser. An den meisten Trinkstellen sind Warnungsplakate angebracht mit der Aufschrift:

„Vorsicht! Schlechtes Wasser“.

Gegen 7 Uhr abends beziehen wir in Gosselmingen Quartier. Mein Zug ist bei einem Eisenbahnbeamten untergebracht. Der Mann hat seine Aktivdienstzeit bei den 142er in Mühlhausen5 i/E. erfüllt. Er trägt zum Bahnschutz das Infanteriegewehr Modell 88. Als Lothringer ist er ein guter Deutscher. Verpflegung vorzüglich.

Vormarsch und Rückzug

Nachts gegen 1 Uhr ertönt Alarm. Befehl: „Kolonne anspannen.“ Arme Pferde, nicht einmal die erste Nacht im Felde habt ihr Ruhe. Schlaftrunken eilen die Mannschaften zum Wagenpark. Wir rücken vorwärts, ran an den Feind. Unser Quartierherr meint beim Abrücken zu uns: „So viel wie ich unterrichtet bin, kommt eure Formation wieder zurück, denn zu einem erfolgreichen Angriff fehlt es uns an der nötigen Zahl

Infanterie. Der Schangl (Bezeichnung für Franzose) hat große Truppenmassen drüben stehen.“ Wir sind optimistisch gestimmt. Das ganze Bataillon marschiert schon über drei Stunden im freien Gelände, ohne auf eine menschliche Niederlassung zu stoßen. Die Pferde ziehen die schweren Munitionswagen mit heißdämpfenden Leibern durch die schlechten Feldwege.

An verschiedenen Truppengattungen wie Infanterie, Kavallerie usw. kommen wir vorbei. Sie befinden sich alle in der Rückwärtsbewegung. Langsam wird es uns etwas unheimlich, wenigstens fühlen wir uns so.

Da kommt zu unserer Rettung eine Kavalleriepatrouille der Kurmärkischen Dragoner angesprengt. Der Patrouillenführer erkundigt sich mit gedämpfter Stimme nach unserem Bataillonskommandeur. Gleichzeitig gibt dieser Offizier den Befehl zum sofortigen Anhalten. Noch einige hundert Meter weitergefahren, erklären uns die Dragoner, und das ganze Bataillon kann mit dem Franzmann den Morgenkaffee einnehmen.

In dem Hohlweg, in dem wir gerade marschieren, ist mit den Fahrzeugen schlecht wenden. Aber es muss gehen und es geht, obgleich dabei kein lautes Wort fallen darf. Der kleine Ziethenhusar muss sogar auf höheren Befehl seine Tabakspfeife ausgehen lassen. Ohne einige kräftige Flüche geht die Kehrtwendung natürlich nicht ab. Es wird langsam Tag und der Schangl hat uns gemerkt. Es fallen Schüsse, erst einzelne, dann mehr. Der Frühnebel ist unsere Rettung, wir fahren schneller als gekommen aus dem Hohlweg, ohne Verluste.

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